Gilli und Diego Stampa

PORTRAIT Galerie Stampa, Basel

1969 gründen Gilli und Diego Stampa ihre Galerie mit Buchladen in Basel als kulturelle Institution und Ort der Vernetzung. Seit Beginn ist ihr Programm mit Kunst, Literatur, Musik und Architektur stark interdisziplinär und zeitgenössisch ausgerichtet. Zu ihrer Ausstellungsgeschichte gehören erste Einzelausstellungen in der Schweiz von Vito Acconci, John Baldessari, Miriam Cahn, Luis Camnitzer, Coop Himmelblau, Marlene Dumas, Valie Export, General Idea, Jacques Herzog, Marcel Odenbach, Roman Signer, Erik Steinbrecher, Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger, Vivian Suter und RosemarieTrockel. Einen wichtigen Focus legt die Galerie seit den 1970er Jahren auf die Vermittlung von Video- und Performancekunst. Mit Projekten von Nam June Paik, Peter Weibel, Ulrike Rosenbach und Pipilotti Rist leisten Gilli und Diego Stampa Pionierarbeit. Unter der Prämisse «Stampa informiert» verstehen sie Kunstvermittlung als soziopolitisches Engagement, das die eigenen Vorstellungen mit den relevanten Themen der Zeit, das Buch mit der Ausstellung und dem Happening, sowie die Künstler mit dem Publikum in Verbindung bringt. 2006 erhalten sie den Kulturpreis der Stadt Basel.

Künstlerliste: Vito Acconci, Véronique Arnold, Katja Aufleger, Silvia Bächli, Miriam Cahn, Marlene Dumas, Ian Hamilton Finlay, GENERAL IDEA, Sabine Hertig, Herzog & De Meuron, Daniela Keiser, Udo Koch, Eva-Fiore Kovacovsky, Zilla Leutenegger, Heinrich Lüber, Dorit Margreiter, Josef Felix Müller, Guido Nussbaum, Marcel Odenbach, Dennis Oppenheim, Pipilotti Rist, Roman Signer, Gerda Steiner, Jörg Lenzlinger, Vivian Suter, Rosemarie Trockel, (Auswahl)

Gilli und Diego Stampa, frühe 1970er Jahre. Foto: unbekannt.

Gilli und Diego Stampa, frühe 1970er Jahre. Foto: unbekannt

 

Gespräch am 16. Mai, 2019

Laura Mahlstein und Christina von Rotenhan mit Gilli und Diego Stampa in Auszügen

Wir waren an allem interessiert, an Quellenprozessen und an politischen Prozessen.
 

LM: «1969 habt Ihr die Galerie Stampa in Basel gegründet. Aber eine eigentliche Galerie im klassischen Sinn wolltet Ihr gar nicht unbedingt eröffnen, oder?»

GS: «Also zuerst sind wir unabhängig voneinander beruflich nach Basel gekommen, und haben uns dort kennengelernt. Wir haben dann beschlossen, dass wir etwas aus unserem Leben machen möchten, etwas, wo wir selbstständig etwas kreieren können. Die Kunst war etwas, was uns beide interessiert hat, nicht nur die Kunst, sondern auch Musik, Literatur, Theater, Architektur und Design. Wir waren an allem interessiert, an Quellenprozessen und an politischen Prozessen – aber immer in einer unabhängigen Haltung – und so entschieden wir uns, wir gründen einen kulturellen Ort. Das war eigentlich unser Leitmotiv.»

DS: «1968/1969 waren wir ja eigentlich auch in dieser politischen Übergangssituation und wir wollten nicht nur in der Chemie tätig sein, sondern wollten unser kulturelles Umfeld, die Stadt mit Musik, Kunst und Architektur, mitgestalten.»

 CvR: «Euer sogenannter „kultureller Ort”, also ein Ort, an dem verschiedene Dinge zusammenkommen, umfasst auch eine Buchhandlung. Gab es dafür ein Modell?»

DS: «Ja. Damals gab es ja eher Postkartenständer als Buchhandlungen in den Museen und mehr so Schnick-Schnack-Zeug. Aber so eine echte Buchhandlung gab es eigentlich nicht. Und dann haben wir in den 70er Jahren das Stedelijk Museum in Amsterdam entdeckt. Die hatten Museum, Restaurant, Bibliothek und Buchhandlung eben an einem Platz, und das hat uns dann animiert, das in Basel auch durchzuführen.»

 
 
 
Vivian Suter: hirsche, Stampa Bulletin 2, 1973

Vivian Suter: hirsche, Stampa Bulletin 2, 1973

CvR: «Es ist mehr als auffallend, wie viele Künstlerinnen in Eurem Programm sind und wie früh ihr sie gezeigt habt, also wirklich von Anfang an, seit den 70er Jahren. Vivian Suter ist so ein Beispiel, aber auch Performance-Künstlerinnen wie Valie Export, Laurie Anderson oder Ulrike Rosenbach. War das von Anfang an so geplant?»

 GS: «Ich glaube, das lag daran, dass wir diesen Diskurs eben auch schon gemeinsam geführt haben. Und ich war ja auch sehr engagiert in der Frauenbewegung. Und das war für uns eigentlich fast selbstverständlich, dass Künstlerinnen dazu gehören. Das mussten wir jetzt nicht erkämpfen, das gehörte einfach dazu. Und wir waren ja auch gleichberechtigt in der Galerie. Also es ist ja nicht so, dass ich die Sekretärin war, obwohl das immer wieder Leute gedacht haben. Also wir waren auf Augenhöhe und haben immer alles auch zusammen konzipiert, diskutiert, und das machen wir bis heute. Und von daher hatte das für uns eine gewisse Selbstverständlichkeit.

 CvR: «Das heisst, es fühlte sich nicht unbedingt nach Wagnis an?»

 GS: «Nein. Man machte das aus Interesse und Freude. Man hat da nicht überlegt, darf ich das. Man machte einfach. Also so wie wir auch eben immer gemacht haben, ohne uns zu hinterfragen. Wenn wir überzeugt waren, das ist wichtig, das bringt etwas voran oder in Bewegung, dann haben wir es gemacht.»

 
Kunst ist für mich auch eine Information. Da gibt es immer wieder etwas Neues und jeder kann da, an dieser Information, teilnehmen.
 

LM: «Bei Euch in der Galerie hängt ein Schild „Stampa informiert“. Das ist nicht nur irgendein Spruch, sondern eure eigentliche Prämisse. Könnt Ihr dazu was sagen?»

DS: «Das war meine Wurzel, meine Idee. Gehen wir davon aus, es muss Information sein. Information ist einfach zu übertragen. Kunst ist für mich auch eine Information. Da gibt es immer wieder etwas Neues und jeder kann da, an dieser Information, teilnehmen. Er muss nicht unbedingt etwas kaufen. Einmal war der Basler Galerist Felix Handschin bei uns in der Galerie und hat gesagt: „Spinnst Du eigentlich? Wir verkaufen doch keine Information.“ Aber das war eigentlich so die Idee, mal mit Information ein Publikum zu erreichen, Künstler vermitteln, um mich selber auch in diese Gesellschaft einzubringen.»

“Stampa Informiert", Plakat, Galerie im Taxis-Palais, Innsbruck 1973

“Stampa Informiert", Plakat, Galerie im Taxis-Palais, Innsbruck 1973

 
 
Ausstellungsansicht, Pipilotti Rist - Schwester des Stroms, Galerie Stampa 1993. Foto: unbekannt

Ausstellungsansicht, Pipilotti Rist - Schwester des Stroms, Galerie Stampa 1993. Foto: unbekannt

Einladungskarte, Pipilotti Rist - Schwester des Stroms, Galerie Stampa, 1993

Einladungskarte, Pipilotti Rist - Schwester des Stroms, Galerie Stampa, 1993

LM: «Es steht so schön auf Euren Einladungskarten, ihr habt von Anfang an Film, Video, Aktionen, Performances, Fotos, Dias und Musik gezeigt.»

GS: «Schon von Anfang an hatten wir die Idee, dass wir alle Medien der Kunst ausstellen möchten. Wir haben sehr früh mit Video angefangen, und am Anfang zeigten wir auch Architekturausstellungen, zum Beispiel eine Ausstellung mit Coop-Himmelblau die als Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Basel entstand.»

LM: «In Bezug auf Video-Kunst war für euch die Zusammenarbeit mit Pipilotti Rist ganz wichtig».

GS: «Ja. Pipilotti Rist war natürlich erst mal als Person ein Highlight. 1993 haben wir ihre Ausstellung „Schwester des Stroms“ gezeigt. Sie war ja auch eine Pionierin. Sie hat der Videokunst neue Bilder geschenkt, kann man sagen. Und damals fing sie ja an mit den Videoobjekten, oder Videoinstallationen. Und das war einfach auch ein Riesending, weil bei ihr ja immerzu die Familie mithilft und das geht dann also bis zum Großvater, weil sie auch so engagiert ist und sie ist auch so präzise. Und das war einfach eine wunderschöne Ausstellung.»

GS Gilli Stampa / DS Diego Stampa / LM Laura Mahlstein / CvR Christina von Rotenhan

 
Christina von Rotenhan