Pablo Stähli

PORTRAIT Stähli Galerie& Edition

Pablo Stähli gründet 1972 eine Galerie am Mühleplatz in Luzern. Er gestaltet die Schweizer Kunstszene der 70er und 80er Jahre mit mehr als 300 Ausstellungen, Künstlerbüchern, Monografien und Editionen, eigenen Fotoexperimenten und als Dokumentarist seiner Zeit gewichtig mit. Als Teil der Szene um Jean-Christophe Ammann, der 1968-1977 das Kunstmuseum Luzern leitete, ist er massgeblich daran beteiligt, Luzern über die Landesgrenzen hinweg mit Künstlerinnen und Künstlern aus den Nachbarländern zu vernetzen und katapultiert so die Stadt am Vierwaldstädtersee aus der Peripherie ins Zentrum des europäischen Kunstgeschehens. Sein Galerieprogramm reflektiert die Aufbruchsstimmung dieser Zeit und umfasst neben zeitgenössischen Schweizer Kunstschaffenden wie Urs Lüthi, Peter Fischli, David Weiss, Markus Raetz, Dieter Roth auch internationale Künstlerinnen und Künstler wie Leiko Ikemura, Sigmar Polke, Michael Buthe, Mario Merz oder Paul Thek. Von Fischli/Weiss zeigt er 1981/1982 die zur Ikone gewordene Ausstellung Plötzlich diese Übersicht. Bereits ab 1973 betreibt Stähli eine Dependance in Zürich und ab 1988 für mehrere Jahre eine Wohnungsgalerie an der Neusserstrasse in Köln. Pablo Stählis Galerienarchiv ging 2018 an die Zentralbibliothek Zürich.

Künstlerliste: Joseph Beuys, Michael Buthe, Luciano Castelli, Martin Disler, Helmut Federle, Peter Fischli/David Weiss, Leiko Ikemura, Friederich Kuhn, Urs Lüthi, Mario Merz, Sigmar Polke, Markus Raetz, Dieter Roth, Hans Schärer, Philippe Schibig, Jean-Frédéric Schnyder, Paul Thek, Andre Thomkins, Aldo Walker, Rolf Winnewisser (Auswahl)

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Pablo Stähli, Humordienst, Selbstporträt. Foto: Pablo Stähli

 

Gespräch am 26. April, 2018

Jochen Hesse mit Pablo Stähli in Auszügen

 
Meine Galerie profitierte natürlich von Jean-Christophe Ammanns Aktivitäten. Wie sonst hätte ich eine Ausstellung z. B. mit Paul Thek machen können? Ammanns Ausstellungen und Vernissage-Feste sind legendär und unvergessen. Es herrschte Aufbruchsstimmung in Luzern.
 
 
 
Pablo Stähli · Die erste Sekunde der ersten hundert Tage der siebziger Jahre, 1969/1970. In der Silvesternacht 1969/70 hat Pablo Stähli die erste Sekunde der Siebzigerjahre auf seiner Armbanduhr festgehalten, Originalabzug

Pablo Stähli, Die erste Sekunde der ersten hundert Tage der siebziger Jahre, 1969/1970. In der Silvesternacht 1969/70 hat Pablo Stähli die erste Sekunde der Siebzigerjahre auf seiner Armbanduhr festgehalten. Foto: Pablo Stähli

 
Jean-Christophe Ammann and Harald Szeemann. Photo: Till Spiro, Kassel

Jean-Christophe Ammann and Harald Szeemann. Foto: Till Spiro, Kassel

JH: «Wenn man das Archiv durchgeht, fällt einem auf, dass die späten 60er-Jahre in Luzern eine intensive und auch lustige Zeit waren. Wie erinnerst Du Dich an jene Zeit?»

PS: «1971 startete ich an der Furrengasse, in einem leerstehenden Geschäftslokal, mit einer Ausstellung mit internationaler Druckgraphik. Es waren damals schon gute Namen wie Andy Warhol dabei. Die Furrengasse war sehr klein und als das Lokal dort vermietet wurde, ging ich an den Mühlenplatz, fünf Minuten von der schönen Wohnung am Metzgerrainle entfernt, ideal gelegen. Dort zeigte ich schon einige Künstler, mit denen ich in der Folge 30 Jahre lang zusammenarbeiten sollte. Von Anfang an war die Publikation von Büchern und Graphik zentral. Mit den Leuten der Druckerei BEAG, der Druckerei in Emmenbrücke, kam es zu einer ausserordentlich fruchtbaren Zusammenarbeit. Es entstanden zahlreiche Editionen, deren Höhepunkt sicher die drei faksimilierten Tagebücher von Markus Raetz sind. Das war schon eine Pioniertat. Die Zeit war äusserst intensiv. Wir hatten häufig Gäste zum Nachtessen, die jeweils bis etwa Mitternacht zechten, dann kapitulierten und einschliefen. Ich arbeitete anschliessend noch, bis der Nachtzug aus Amsterdam und Köln ankam und unsere Freunde zum Frühschoppen brachte. Wenn man jung ist, hat man ja die Kraft für solche Kapriolen.»

JH: «Jean-Christophe Ammann war damals in Luzern Direktor des Kunstmuseums. Was war aus Deiner Sicht seine Bedeutung für die Luzerner Kunstszene?»

PS: «Unter ihm wurde Luzern zu einer Kunststadt mit internationaler Bedeutung. Jean-Christophe Ammann hatte bei Harry Szeemann viel gelernt und konnte diese Erfahrungen nun in einem eigenen Konzept verwirklichen. Es gelangen ihm eine Anzahl legendärer Ausstellungen wie z.B. Visualisierte Denkprozesse 1970, die international beachtet wurden. Meine Galerie profitierte natürlich von diesen Aktivitäten. Wie sonst hätte ich eine Ausstellung z. B. mit Paul Thek machen können? Ammanns Ausstellungen und Vernissage-Feste sind legendär und unvergessen. Es herrschte Aufbruchsstimmung…….»

 
 

JH: «In Deinem Archiv hat es auch Fotos von Künstlern aus der Kölner Kunstszene. Wie kam es zu den Kontakten zu Sigmar Polke und Michael Buthe, deren Werke Du in Ausstellungen gezeigt hast?»

PS: «Die Kölner Szene war damals äusserst lebendig und interessant. Gerhard Richter, Sigmar Polke, Michale Buthe, Jürgen Klauke und viele andere waren in den einschlägigen Lokalen Gesprächspartner und wir lebten gut. Die Bindung zu dieser Stadt wurde eng und ich habe ja dann etwa 15 Jahre lang in einer «Wohnungsgalerie» an der Neusserstrasse viele Ausstellungen gezeigt und auch immer an den Kölner Kunstmessen teilgenommen. Die Szene war voll von guten und interessanten Leuten. Michael Buthes schöne Jugendstilwohnung war ein einmaliger Treffpunkt von besonderen Leuten. Aufbruchsstimmung auch hier. Die Buchhandlung König war schon damals eine einmalige Institution, die Galerieszene war bestimmt eine der lebendigsten in Europa.»

Sigmar Polke mit Begleitung in Stählis Wohnung am Metzgerrainle in Luzern, um 1973. Foto: Pablo Stähli

Sigmar Polke mit Begleitung in Stählis Wohnung am Metzgerrainle in Luzern, um 1973. Foto: Pablo Stähli

 
 
Dass da eine Galerie in einem Bahnhof sei, wurde bis hin nach Australien mit Neugierde zur Kenntnis genommen.
 
 
 
PETER FISCHLI/DAVID WEISS, PLÖTZLICH DIESE ÜBERSICHT! Ausstellungsansicht, GALERIE STÄHLI, ZÜRICH, 1981. (Photo: Iwan Schumacher)

Peter Fischli/David Weiss, PLÖTZLICH DIESE ÜBERSICHT! Ausstellungsansicht, Galerie Stähli, Zürich, 1981. Foto: Iwan Schumacher

Wir hatten ja keine Ahnung, welche Bombe wir da zündeten.

JH: «Bereits 1973 hast Du in Zürich eine Filiale an der Sonneggstrasse 49 eröffnet. 1975 bist Du dann definitiv nach Zürich umgezogen und hast an der Kreuzstrasse 39 neue Räume bezogen. 1981 bist Du schliesslich von der Kreuzstrasse 39 in den Bahnhof Enge umgezogen? Warum diese häufigen Wechsel und wieso eine Galerie in einem Bahnhof?» 

PS: «Ich bin Nichtautomobilist und der grösste Fan, den die SBB je hatte. Wir haben damals in der Enge, nahe beim Bahnhof gewohnt. Das ergab sich also ideal. Die Räumlichkeiten waren grossartig und der Umstand, dass da eine Galerie in einem Bahnhof sei, wurde bis hin nach Australien mit Neugierde zur Kenntnis genommen.

JH: «Die wohl berühmteste Ausstellungen, die du dort gezeigt hast war Plötzlich diese Übersicht von Peter Fischli und David Weiss. Sie hat die beiden international bekannt gemacht. Wie kam es zu dieser Ausstellung und was bedeutete sie für Deine Galerie?»

PS: «Ja, diese Ausstellung ist wohl schon die, von der man auch noch heute noch am meisten spricht. Wir hatten ja keine Ahnung, welche Bombe wir da zündeten. Es war ein Riesenspass. Jedenfalls für uns. Für den Hauswart, der im Bahnhof wohnte, etwas weniger: Er stellte uns, beim Einrichteten der Schau, kurzerhand den Lift ab. Mit David Weiss war ich ja aus Zeiten in Carona in Tessin befreundet und habe mit ihm früh Bucheditionen gemacht. Dann kam Fischli dazu und es lag auf der Hand, das Duo zu zeigen. Wie gesagt, diese Plötzlich diese Übersicht ist sicher die bekannteste unserer Ausstellungen und auch diejenige, deren Exponate den grössten Preissprung machten.»

 PS Pablo Stähli / JH Jochen Hesse

 
Christina von Rotenhan