Susanna Kulli

PORTRAIT Galerie Susanna Kulli, Zürich

1983 eröffnet Susanna Kulli ihre Galerie an der Rosenbergstrasse in St.Gallen. Da das dortige Kunstmuseum damals bereits seit 13 Jahren geschlossen war, sind es vor allem Galerien, die St.Gallen mit der nationalen und internationalen Kunstszene vernetzen. Daran ist Susanna Kulli massgeblich beteiligt. Als Programmgalerie zeigt sie mit John Armleder, Helmut Federle, Gerhard Merz, Olivier Mosset, Gerwald Rockenschaub, Adrian Schiess, Thomas Hirschhorn, Peter Z. Herzog und Christoph Büchel Kunst am Übergang von der Malerei zur Installation. Das wird umso sinnbildlicher, als die Galerie 1988 ins städtische Lagerhaus an der Vadianstrasse umzieht. Dort bespielt Susanna Kulli den mit 350m² grössten Ausstellungsraum der Schweiz. Ihre Zusammenarbeit mit Armleder und Mosset, aber auch mit Jean-Luc Manz und etwas später mit Sylvie Fleury und Silvie Defraoui, zeugt von ihrer engen Verbindung zur aktiven Genfer Kunstszene. Susanna Kulli übernimmt so eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Romandie und der Deutschschweiz. Seit 1996 veranstaltet und publiziert sie unter dem Titel «Im Rahmen der Ausstellung» Künstlergespräche. 2004 zieht sie mit ihrer Galerie nach Zürich und öffnet ihr Programm für junge Künstlerinnen und Künstler, so zum Beispiel Kerim Seiler, Vanessa van Obberghen oder Shila Khatami. 2017 schliesst sie ihre offizielle Galerietätigkeit mit der Publikation 33 Jahre Galerie Susanna Kulli ab und schenkt ihr Archiv der Zentralbibliothek Zürich. Im November 2021 wird Susanna Kulli mit dem Kulturpreis der St.Gallischen Kulturstiftung ausgezeichnet.

Künstlerliste: John M. Armleder, Henry Codax, Jean Crotti, Louis de Cordier, Silvie Defraoui, Gaylen Gerber, Peter Z. Herzog, Thomas Hirschhorn, Armin Hofmann, Shila Khatami, Stéphane Kropf, Jean-Luc Manz, Thom Merrick, Gerhard Merz, Olivier Mosset, Maurizio Nannucci, Michael Noser, Gerwald Rockenschaub, Adrian Schiess, Bertold Stallmach, Vanessa van Obberghen

Susanna Kulli und John M Armleder beim Ausstellungsaufbau, John M Armleder – neue Arbeiten, 24.9.-2.11.1983, Galerie Susanna Kulli, St. Gallen. Foto: Karl Steffen

 

Gespräch am 18. Januar 2018

Jochen Hesse und Christina von Rotenhan mit Susanna Kulli in Auszügen

zum ganzen Gespräch

 
Das New York von Sankt Gallen
 
 
 

Ausstellungsansicht, Adrian Schiess – Flache Arbeiten, 4.6.-22.7.1988, Galerie Susanna Kulli, St.Gallen. Foto: Heinz Köppel

SK: «1988 bezog ich in St.Gallen neue Galerieräume mit unglaublichen 350 Quadratmeter. Den Raum erhielt ich als Provisorium, ohne feste Zusicherung. Damals habe ich solche Risiken nicht gescheut und habe die 350 Quadratmeter umgebaut, gestrichen und Einbauten getätigt. Die entstandene Situation liess die Herzen jedes Künstlers hochschlagen, allen voran Helmut Federle. Aber auch Adrian Schiess konnte zum ersten Mal mehrere seiner flachen Arbeiten gleichzeitig zeigen. Er war selbst wirklich verblüfft aber auch glücklich seine Arbeit so funktionieren zu sehen.»

CvR: «Also das war so ein bisschen ein Loft-Gefühl, das New York von Sankt Gallen.»

SK: «Ja das waren damals wohl die größten Galerie Räume in der Schweiz überhaupt. Es gab die Kunsthalle in Zürich zum Beispiel noch nicht. Und so sprach man bis in die Romandie von diesen Räumen. Olivier Mosset beschrieb es damals so: St.Gallen has a cathedral and its library and Susanna Kulli’s gallery

 
 

SK: «In St.Gallen herrschte in den 70er und 80er Jahren eine wirklich gute Energie, neben der Galerie Buchmann war die Erker Galerie ein wichtiger Treffpunkt. Was man in diesem Zeitfenster bedenken muss, ist, dass das Kunstmuseum St.Gallen, von 1970 bis zur Wiedereröffnung in 1987, geschlossen war. Man stelle sich mal vor, der FC St. Gallen hätte 17 Jahren kein Fußballfeld zur Verfügung gehabt, was wäre da passiert? In dieser museumslosen Zeit, vor allem dann Anfang der 80er Jahre, war die Kunst-Szene in Sankt Gallen sehr lebendig und stand mit Zürich in einem regen Austausch. Wir hatten mit Josef Felix Müller, der bei Christophe Ammann in der Kunsthalle Basel ausgestellt hatte, auch einen internationalen Künstler. Dann gab es noch Thomas Howeg, der Buchhändler und Verleger aus Zürich, der an der Hochschule St.Gallen Fluxus Perfomances veranstaltete. Diese Zeit erlebte ich als sehr dynamisch.»»

Blick in die Ausstellung ECART, curated by John M Armleder, 12.02-16.04.1993, Galerie Susanna Kulli, St.Gallen, 1993. Foto: Galerie Susanna Kulli

 
Archiviert habe ich oft in einem Moment, der Unsicherheit und des Zweifelns. Bevor man sich dann mit anderen zu vergleichen beginnt habe ich auf mein Archiv zurückgegriffen.
 
 

Thomas Hirschhorn bei der Installation der Ausstellung, Thomas Hirschhorn - LAY-OUT, 10.9.-23.10.1993, Galerie Susanna Kulli, St.Gallen. Foto: Galerie Susanna Kulli

CvR: «Die Zentralbibliothek hatte das grosse Glück von Susanna Kulli das gesamte Galerie-Archiv zu bekommen. Und man muss festhalten, das ist ein fantastisch archiviertes Archiv. Alles ist genau beschriftet und perfekt aufgearbeitet. Warum war dir das Archiv als Teil deiner Galerietätigkeit so wichtig?»

SK: «In der Erker-Galerie, in der ich früher gearbeitet habe, gab es ein Handschriftenarchiv. Es war mir also schon früh bewusst, dass Handschriften durchaus gesammelt werden. In den 80er Jahren dann als Galeristin haben wir viel mit Fax korrespondiert. Diesem Papier habe ich von Anfang an misstraut und ich habe jedes Fax gleich kopiert und abgelegt und so habe ich den großen Teil der Korrespondenz mit John Armleder, Olivier Mosset oder Thomas Hirschhorn, aber auch ganze Projektbeschriebe abgelegt und aufgehoben. Archiviert habe ich oft in einem Moment, der Unsicherheit und des Zweifelns. Bevor man sich dann mit anderen zu vergleichen beginnt habe ich auf mein Archiv zurückgegriffen. Beim Durchgehend der Adresskartei und der eigenen Notizen wurden Gespräche, Begegnungen und Ideen wieder lebendig und haben mir oft neue Energie verliehen.»

JH: «Für uns ist das Susanna Kulli Galerie Archiv ein Glücksfall. Befasst man sich mit Galeriearchiven wird immanent, wie wichtig solche für die zeitgenössische Kunstgeschichte sind. So ist im Kulli Archiv zum Beispiel mit dem Thomas Hirschhorns Ausstellung Swiss-Swiss Democracy im Centre Culturel Suisse, Paris 2004 einer der grossen Kunstskandale wunderbar dokumentiert. Dann birgt das Archiv aber auch die Möglichkeit, gerade bei Hirschhorn, ganze Werkgenesen zu verfolgen – Beispielsweise bei Wirtschaftslandschaft Davos oder auch bei Flugplatz Welt, von den ersten Ideen Skizzen, über die Ausstellungen, das archivieren des Werks bis hin zum Kauf durch ein Museum. Daneben wird ersichtlich, dass Galeriegeschichte immer auch Stadtgeschichte ist.»

SK Susanna Kulli / JH Jochen Hesse / CvR Christina von Rotenhan

 
Christina von Rotenhan