Annemarie und Gianfranco Verna

PORTRAIT Annemarie Verna Galerie, Zürich

1969 gründen Annemarie und Gianfranco Verna eine Galerie an der Oberen Zäune in Zürich. Von Anfang an konzentrieren sie sich vor allem auf italienische und amerikanische Konzeptkunst der späten 1960er und 1970er Jahren. Als Programmgalerie ermöglichen sie vielen Avantgardekünstlern*innen erste Ausstellungen in der Schweiz und übernehmen so eine führende Rolle in der Vermittlung neuer Kunstauffassungen. Dabei wird die Publikation von Künstlerbüchern, -monografien und Ausstellungskatalogen zu einem wichtigen Instrument. Mit der Entwicklung der Schweiz zu einem Industriestandort wird die Galerie in den 1980er Jahren für eine Anzahl Künstler zur Produktions- und Logistikdrehscheibe. Neben Ausstellungen mit Dan Flavin, Donald Judd, Sol LeWitt, Robert Mangold, Fred Sandback und Richard Tuttle machen sie dem Zürcher Publikum auch Alighiero e Boetti, Piero Manzoni, Lucio Fontana, Nicola De Maria, Hanne Darboven, Roni Horn oder Agnes Martin zugänglich.

Künstlerliste: James Bishop, Antonio Calderara, Andreas Christen, Joseph Egan, Dan Flavin, Richard Francisco, Donald Judd, Sol LeWitt, Robert Mangold, Rita McBride, Ree Morton, Giulio Paolini, Sylvia Plimack Mangold, David Rabinowitch, Glen Rubsamen, Fred Sandback, Richard Tuttle, Robert Wilson, Jerry Zeniuk

Annemarie und Gianfranco Verna in ihrer ersten Fred Sandback Ausstellung, 1971. Foto: Thomas Cugini, Zürich.

Annemarie und Gianfranco Verna in ihrer ersten Fred Sandback Ausstellung, 1971. Foto: Thomas Cugini, Zürich

 

Gespräch am 12. April, 2018

Christina von Rotanhan mit Annemarie und Gianfranco Verna in Auszügen

 
Fred Sandback hat seine Skulpturen mit dem jeweiligen Ausstellungraum in Verbindung gebracht, der Raum wurde Teil der Skulpturen. Für uns war das eine ganz wesentliche Idee, die uns überhaupt den Mut gab zu denken wir könnten eine Galerie führen.
 
 
 
Ausstellungsansicht, Fred Sandback, Annemarie Verna Galerie, 1971. Foto: Thomas Cugini, Zürich

Ausstellungsansicht, Fred Sandback, Annemarie Verna Galerie, 1971. Foto: Thomas Cugini, Zürich

GV: «Wir sind keine Galeriegründer im eigentlichen Sinne gewesen, weil wir durch Umwege und glückliche Umstände zu dieser Galerie gekommen sind. Wir sind in diese Kunstszene eingestiegen ohne Netzwerk und ohne irgendwelche Erfahrungen im Kunsthandel gehabt zu haben. Aber vielleicht war das auch unsere Chance. Man musste aber bereit sein, sehr viel einzustecken und die Sache in erster Linie für sich zu machen. Also 1969 haben wir dann versucht ein Programm auf die Beine zu stellen das hauptsächlich durch die Vermittlung von Freunden und Bekannten aus der Schweiz, Deutschland und Amerika zustande kam. Das waren in erster Linie Fred Jahn aus München, der damals die Galerie Friedrich geleitet hat; Hans Liechti, eine eminente Persönlichkeit in der Schweizer Kunstlandschaft; Carl Laszlo aus Basel; Monsieur Jacques Benador aus Genf und Aladar Marberger aus New York, der damals die Fischbach Gallery gleitet hat. Zwei für uns wegweisende Ausstellungen gelangen uns 1971/72 mit dem amerikanischen Künstler Fred Sandback, vermittelt durch Fred Jahn. In dieser Zeit hat Sandback in einem gewissen Sinne in Objekten gedacht; Objekte, die aber das Materielle fast schon aufgegeben haben. Dann hat er angefangen Skulpturen direkt in die Galerie zu bauen. Das heißt, er hat seine Skulpturen mit dem jeweiligen Ausstellungraum in Verbindung gebracht, der Raum wurde Teil der Skulpturen. Für uns war das eine ganz wesentliche Idee, die uns überhaupt den Mut gab zu denken wir könnten eine Galerie führen. Wir dachten nämlich, man können einfach einen interessanten Künstler ansprechen, ihm sagen man stelle einen Raum zur Verfügung und der würde dann mit einer Tragetasche anreisen und eine Ausstellung machen. In diesem Sinne ist Fred Sandback eigentlich das Sinnbild für diesen ganz hervorragenden, ganz ungewöhnlichen historischen Moment Ende 60er, Anfang 70er Jahre.» 

 
 

GV: «Bald nach Eröffnung beschlossen wir nicht mehr einfach Einladungen zu verschicken, auf denen ein Künstlername stand. Ein Sammler hat sich nämlich beklagt: „Ja, ich komme nie, weil ich mir nichts vorstellen kann unter so einem kleinen Namen.“ Wir haben dann eigentliche Informationsblätter gestaltet, die auch gesammelt werden konnten. Eine der ersten Ausstellungen, die sich so manifestiert hat, war mit Carl Andre mit zwei radikalen Bodenarbeiten. Diese waren durch das grosse Schaufenster am damaligen Standort Obere Zäune nur schwer zu erkennen. Die Leute haben deshalb oft gedacht, dass unsere Galerieräume andauernd leer stehen. Das war das Charakteristikum unserer frühen Ausstellung, dass auf die Schnelle einfach nichts sichtbar war.»

CvR: «Annemarie du hast viel in der Galerie gesessen, es kam nur wenig Publikum. Gab es Momente, wo du gezweifelt hast oder gab’s die Überzeugung, dass das einfach das Richtige ist? 

AV: «Absolut! Ich war von jeder Ausstellung begeistert. Ich habe das auch heute noch. Nach jeder Ausstellung finde ich, das war die beste, vor jeder Ausstellung, das wird die Schönste. Und ich glaube schon, dass das der wichtigste Antrieb war. Man wusste einfach, man macht das für sich. Und mein Credo ist noch immer: Einmal im Leben muss man etwas machen, was man gerne macht, für das man steht und das man braucht.»

 
Informationsblatt / Ausstellungseinladung, Carl Andre, Annemarie Verna Galerie, 1972.

Informationsblatt / Ausstellungseinladung, Carl Andre, Annemarie Verna Galerie, 1972

 
 
Sie haben die Schweiz als etwas, ja als ein sehr interessantes Gebilde von Freiheit empfunden und Freiheit und Unabhängigkeit, das war für diese Generation von Künstlern absolut fundamental.
 
 
 
Blick in die Produktionshalle der Lehni AG, Dübendorf mit neuen Werke von Donald Judd, 1980er Jahre.  Foto: Lehni AG, Dübendorf

Blick in die Produktionshalle der Lehni AG, Dübendorf mit neuen Werke von Donald Judd, 1980er Jahre. Foto: Lehni AG, Dübendorf

GV: «Ja, also man muss auch sagen die Künstler haben sich in Zürich immer sehr wohl gefühlt. Überhaupt, auch für Donald Judd oder Dan Flavin, wurde die Schweiz irgendwie zu einem Mythos. Sie haben die Schweiz als etwas, ja als ein sehr interessantes Gebilde von Freiheit empfunden und Freiheit und Unabhängigkeit, das war für diese Generation von Künstlern absolut fundamental. Zürich und die nähere Umgebung entpuppten sich dann auch als sehr hilfreich in Sachen Werkproduktion. Über die Vermittlung unseres Freundes und Galeriekünstlers Andreas Christen war es uns möglich in den 1980er Jahren grosse Werkgruppen für Sol LeWitt und Donald Judd in der Schweiz herzustellen. Verschiedene Schreiner aber auch die Firmen Lehni AG in Dübendof und Alu Menziken AG wurden zu wichtigen Partnern.»

AV Annemarie Verna / GV Gianfranco Verna / CvR Christina von Rotenhan

 
Christina von Rotenhan